Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Forum. Den Zugang zu Suizidmöglichkeiten zu erschweren, kann viele Menschenleben retten und ist eine sehr erfolgreiche suizidpräventive Massnahme. Dies, weil die meisten Menschen keine andere Suizidart wählen, wenn die eine Vorgehensweise erschwert wird. Ein eindrückliches Beispiel ist die Reduzierung des Zugangs zu Schusswaffen. Andere Beispiele sind Geländer oder hohe Netze bei Brücken. Die Beispiele zeigen aber auch: Die Umsetzung solcher Interventionen liegt oft ausserhalb der Gesundheitspolitik.
Unsere Forschungsgruppe konnte den positiven Effekt der Armeereform XXI auf
die Schusswaffensuizide in der Schweiz nachweisen. Durch die Armeereform im Jahre 2003 wurde die Armeestärke halbiert und die Schwelle erhöht,
die Armeewaffe nach der Militärzeit zu behalten. Damit sank die Anzahl
Armeewaffen bei Männern zwischen 19 und 43 Jahren (Zeit der
Rekrutenschule und der Wiederholungskurse) deutlich. Und in der Folge
sank auch die Anzahl Suizide mit einer Armeewaffe.
Unsere Forschung zeigt, dass die Abnahme der Schusswaffensuizide
ausschliesslich auf die Abnahme der Suizide mit der (ehemaligen)
Armeewaffe zurückzuführen ist. Die jungen Männer wählten nur zu einem
kleinen Teil (22 Prozent) andere Suizidmethoden. Die Zahl der
Schusswaffensuizide mit anderen Waffentypen veränderte sich nicht
signifikant. Obwohl nie als solche geplant, war die Armeereform die
erfolgreichste Suizidpräventionsmassnahme der Schweiz seit der
Entgiftung das Haushaltsgases Ende der 1960er-Jahre.
Die meisten Suizidenten wollen nicht sterben. Ihr Leidensdruck ist aber so
gross – und ihr Denken und Fühlen entsprechend eingeschränkt –, dass sie keinen anderen Ausweg sehen. Verhinderte Suizide führen in den meisten
Fällen nicht zu einem späteren Suizid. In einer grossen US-Studie wurden 515 Menschen untersucht, die davon abgehalten worden waren, von einer
Brücke zu springen. In den 26 Folgejahren waren nur 5 Prozent dieser
Menschen an Suizid verstorben. Die meisten finden also wieder ins Leben
zurück, wenn man ihren Suizid verhindert – zum Beispiel indem der Zugang zum Suizid erschwert wird.
Schusswaffensuizide sind in der Schweiz die zweithäufigste Suizidmethode. In kaum einem
anderen europäischen Land ist es so einfach, sich eine Schusswaffe zu
beschaffen, und in keinem europäischen Land gibt es in den privaten
Haushalten so viele Schusswaffen. Die Schusswaffensuizidrate ist in der
Schweiz etwa drei Mal so hoch wie der Durchschnitt aller anderen
europäischen Länder. Der Suizid mit Schusswaffe wird besonders häufig
ohne grosse Planung durchgeführt. Es ist deshalb wichtig, die Hürde zu
erhöhen, an eine Waffe heranzukommen.